In einer Email von Annette und Reinhard Erös zum Jahreswechsel wurden uns wieder interessante Sachverhalte, Entwicklungen und Hintergrundinformationen gegeben. Wir veröffentlichen die Darstellung, um zu verdeutlichen, wie sich die Lage in dem Land unter den Taliban derzeit darstellt und wie sehr Hilfen benötigt werden. Regelmäßig unterstützen wir mit einer Spende die Kinderhilfe in Afghanistan.

Der Eine-Welt-Verein arbeitet auch daran, Dr. Erös für Vorträge in Geldern zu gewinnen.

Hier der Wortlaut der Email:

Liebe Freunde der Kinderhilfe Afghanistan,

Afghanistan hatte zweifelsohne schon mal bessere Zeiten !
Für viele, besonders für Mädchen und Frauen und vor allem in größeren Städten, geht ein mehr als trauriges Jahr 2022 zu Ende:
Ca. 17.000 exzellent ausgebildete Frauen verloren über Nacht durch Dekret der Talibanführung aus Kandahar einen über viele Jahre ordentlich bezahlten Job
bei internationalen Hilfsorganisationen. Da sie anders als die männlichen Mitarbeiter der NGO`s, immer Zugang zu allen Frauen im Land hatten, leidet jetzt natürlich in vielen Bereichen die generelle Entwicklung des Landes. Mit ihrem Gehalt konnten und mussten sie, viele als Witwen oder elternlos verantwortlich für ihre Geschwister, oft als Einzige auch ihre Familie ernähren.Hundertausende Mädchen konnten in den meisten Provizen den Schulbesuch ab Klasse 7 nicht mehr fortsetzen. So war ihnen von Heute auf Morgen das Abitur und danach auch der Unibesuch plötzlich verwehrt.Auch die bereits studierenden Mädchen standen im Dezember plötzlich vor verschlossenen Türen ihrer Universität.
Dieses annus horribile war nicht in allen der 34 Provinzen des historisch schon immer sehr föderalen Staates gleich ausgeprägt.

Die Talibanführung ist räumlich und politisch gespalten:
Der sogenannte selbsternannte Amir ul Mumineen – Führer der Gläubigen – Ahundzadah, das formale Staatsoberhaupt des Emirates Afghanistan, gilt als extremer Hardliner. Er hatte z.b. im Frühjahr 2001 gegen Widerstand etlicher Talibanführer  angeordnet hatte, die Buddhastatuen in Bamian zu zerstören. Ahundzadah  lebt und residiert in Kandahar, dem einstigen Wohnort des Gründers der Taliban Mulha Omar. Er hat dort eine Gruppe anderer Hardliner , z.t. auch religiös wenig gebildet und daher nicht bei allen Taliban angesehen, um sich gescharrt. Nicht alle Talibanminister unterstützen die Dekrete des „Emir“ Ahundzada und seiner Entourage in Kandahar. Die z.B. in Kabul residierenden Minister für Inneres , Verteidigung und Gesundheit wollen die Verbote der Berufsausübung und des Besuchs der Oberschulen und Universitäten für Mädchen rückgängig machen. Diese drei Minister sind vor einer Woche nach Kandahar gereist, um mit dem „Emir“ darüber zu sprechen. Unter ihnen auch der Gesundheitsminister Al Haj Dr. Qaladar Ebad, der vor 20 Jahren bei uns an der Universität in Jalalabad studiert und dann in Pakistan zum Facharzt weitergebildete Arzt. Der einzige unter den Minister Afghanistans mit einer akademischen Ausbildung und exzellenten Englisch-Kenntnissen Dr.Ebad war als Student Kommilitone eines unserer wichtigsten Mitarbeiters, des auch in Deutschland ausgebildeten Kinderarztes Dr. Qais. Dieser Konstellation ist es zu verdanken, dass unsere Medizinprojekte weiterlaufen und die Situation unserer Medizinstudentinnen deutliche besser ist als in anderen Provinzen. In „unserer“ Provinz Nangahar im Osten des Landes an der Grenze zu Pakistan konnten die Mädchen wenigstens noch bis Dezember in einigen Schulen alle Klassen besuchen. Die Medizinstudentinnen – aber eben nur im Fachbereich Medizin – gehen dort bis zum heutigen Tag in die nach Geschlechtern getrennten Vorlesungen. Die Hebammen- und  Krankenschwesternschülerinnen besuchen noch immer ungestört  den Unterricht. Ca. 100 von ihnen erhalten weiterhin unser Stipendium und wohnen kostenlos in unserem Studentinnen-Wohnheim.

In unseren Computer-Klassen und in den Schneiderinnen-Berufsschulen läuft die Ausbildung für ca. 600 x Mädchen ohne Unterbrechung. Zum Jahreswechsel haben wir drei weitere dieser Berufsschulen in Anwesenheit des Erziehungsministers der Provinz eröffnet.
Die Lehrerinnen an all unseren Ausbildungsstätten unterrichten ohne Einschränkungen jeden Tag die Mädchen.
Unsere Ärztinnen, Hebammen und Krankenschwestern versorgen weiterhin an sieben Tagen die Woche ihre kleinen und großen Patienten und werden wie auch die Lehrerinnen regelmäßig bezahlt.

Das Hauptproblem des Landes ist die katastrophale Ernährungslage:
Über die Hälfte der Bevölkerung hat seit Jahren nie genug zu Essen.  Zehntausende Säuglingen und Kleine sind chronisch fehl-, mangel- und unterernährt. Vermutlich sind in den vergangenen Jahren Hunderttausende Afghanen schlicht verhungert.
Wir versorgen daher seit dem Abzug des Westens  vom August 2021 in Jalalabad und in den Flüchtlingslagern im Raum Kabul jede Woche ca. 800 Familien mit Lebensmittelpaketen und junge Mütter mit Säuglingsnahrung. Wir werden und müssen diese Aktion mindestens auch in den nächsten Monaten fortsetzen.
Wegen der gesamtwirtschaftlich desolaten Lage im Land haben wir zu Jahresbeginn 2023 die Gehälter deutlich erhöht.

Die Sicherheitslage ist weiterhin unverändert gut. Die Kriminalitätsrate sehr gering.
Vor wenigen Wochen haben die Taliban durch Gerichtsentscheid erst- und bislang einmalig die Todesstrafe verhängt. Ein Raubmörder aus 2018 wurde nach dem Todesurteil durch den Vater des Getöteten erschossen. Während der alten Regierung war nach ihm nicht gefahndet worden; er gehörte zu einer Familie, welcher der Regierung nahestand.
Die Strafen Handabhacken und Steinigen, welche noch während der ersten Taliban-Regimes – 1996 – 2001 – üblich waren, sind bislang nicht verhängt worden.

In den christlichen Gemeinden unseres Freundes, des katholischen Paters Leonhard im Nachbarland Pakistan, gibt es seit Monaten nur unregelmäßig elektrischen Strom. Wir haben daher haben wir weitere Photovoltaikanlagen auf seinen christlich-moslemischen Schulen  errichtet.

Damit Afghanistan auch weiterhin Thema in der Politik und den Medien bleibt, laden Sie uns zu Vorträgen/Veranstaltung ein.

Wir kommen gerne, selbstverständlich ohne Honorar.


Alles gute im neuen Jahr, bleiben Sie gesund und uns weiterhin verbunden.

Herzlicher Gruß

Annette und Reinhard Erös

  • Spendenkonto:
  • Kinderhilfe Afghanistan
  • Liga Bank Regensburg
  • IBAN: DE 08 7509 0300 0001 3250 00

 

Hier einige Bilder zu den Hilfen, die der Verein um Dr. Erös leistet.